Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien! Als neuer Sprecher der grünen Landtagsfraktion für Flucht wundert es mich nicht, dass ich heute zu einem Antrag der AfD mit einem solchen Inhalt sprechen muss. Dieser Antrag versucht alle Menschen mit einer Duldung zu verunglimpfen, verkennt die rechtliche Lage dabei jedoch völlig. Dieser Antrag verkennt es, dass es humanitäre, gesundheitliche und rein praktische Gründe dafür gibt, dass Menschen nicht abgeschoben werden können.

Aus meiner Arbeit als Sozialarbeiter kenne ich prekäre Verhältnisse von geduldeten Menschen sehr gut. Viele Menschen mit Duldung leben in ständiger Angst, in ein Land abgeschoben zu werden, in dem ihnen Verfolgung, Gewalt oder Hunger droht. Sie leben ihr Leben in Deutschland in einer Grauzone. Sie kommen rein rechtlich nie wirklich an, aber sie kommen auch nicht zurück. Dadurch fehlt ihnen die Perspektive für eine Teilhabe in unserer Gesellschaft.

Schon lange hat die grüne Landtagsfraktion darauf hingewiesen, dass sie bessere Chancen auf gleichberechtigte Teilhabe und faire Asylverfahren für unabdingbar dafür erachtet, unserer humanitären Verantwortung nachzukommen. In NRW leben ca. 64.000 Menschen in einer Duldung, die entgegen der vielen Schranken, die ihnen gesetzt werden, einen Job gefunden und Deutsch gelernt haben. Ihre Kinder besuchen die Schule, beginnen eine Ausbildung oder ein Studium. Eine der ersten Amtshandlungen unserer grünen Ministerin Josefine Paul war es, die Möglichkeiten des Chancen-Aufenthaltsrechts in ihren Vorgriffserlass einzubringen, um die Menschen vor einer Abschiebung zu bewahren. Diesen Schritt begrüßen wir sehr.

Sie geht damit den Weg, den wir im aktuellen schwarz-grünen Koalitionsvertrag eingeschlagen haben. Hier heißt es:

„Unser Ziel ist es, in Nordrhein-Westfalen alle humanitären und aufenthaltssichernden Bleiberechtsregelungen so auszuschöpfen, dass gut integrierte geduldete Geflüchtete eine Bleibeperspektive erhalten“

Dieser Gesetzentwurf zum Chancen-Aufenthaltsrecht ist im Bund auf einem guten Weg. Durch die Modernisierung des Aufenthaltsrechts wird Personen mit einer Duldung für ein Jahr ein Aufenthaltsrecht auf Probe erteilt. Es schafft damit reale Perspektiven für die Betroffenen, um etwa besser Deutsch zu lernen oder eine langfristige Beschäftigung zu finden.

Nun gilt es, gemeinsam die Weichen dafür zu stellen, dass unsere Behörden unsere Integrations- und Sprachangebote so aufstellen, dass wir die neuen Regelungen gut umsetzen können. Wir setzen damit das Ziel, die ausgrenzende Politik für Menschen mit einer Duldung endlich zu beenden. Angst vor Abschiebung ist keine Grundlage für eine erfolgreiche Teilhabe in unserer bunten Gesellschaft.

Mir wäre es lieber gewesen, diesen Antrag heute abzulehnen. Aber das werden wir dann im Integrationsausschuss tun. – Vielen Dank.